Heute hier, morgen dort | Kirsten Wendt

28 May 2021  Kirsten  4 minuten lesezeit.

Heute hier, morgen dort

Wenn ich groß bin, werde ich Auslandsreporterin

Das Fernweh hat mich schon immer geplagt. Als Kind heulte ich oft, weil ich so gern in die weite Welt hinauswollte, aber nicht konnte. Ich war eine Vielleserin und verschlang jeden Schnipsel, der mir in die Finger kam – darum wusste ich theoretisch genau, wohin ich wollte: weit, weit weg! Schließlich kannte ich die Welt bereits aus meinen Büchern. Ich sehnte mich nach exotischen Zielen, am liebsten irgendwo in Afrika, aber eigentlich spielte es keine übergeordnete Rolle, wohin es gehen sollte. Alles in mir schrie nach Reisen und Abenteuern, und wenn man mich nach meinem späteren Berufswunsch fragte, antwortete ich: „Auslandsreporterin“. Das stellte ich mir äußerst bedeutend vor. Ich in schicken Klamotten vor der Kamera mit Berichten aus Krisengebieten und dem Weißen Haus.

Dummerweise verreiste meine Familie lediglich alle paar Jahre in den Harz. Das machte mich wahnsinnig, denn die anderen campten in Italien oder verprassten Geld im Skiurlaub. Zum ersten Mal im Ausland war ich mit fünfzehn, als mich die Eltern meiner Freundin mit in den Spanienurlaub nahmen. Seit diesem Zeitpunkt war für mich endgültig klar, wie meine Zukunft aussehen würde, denn ich sog jede Sekunde in der Fremde auf. Endlich raus!

Am Pool der Sunrise Watervilla - Unendliche Freiheit am Indischen Ozean
Unendliche Freiheit am Indischen Ozean

Mit Heimweh habe ich mich noch nie im Leben rumgeplagt, ich liebe die Veränderung. Ich zieh auch gerne um und suche mir ein anderes Umfeld. Viele Jahre wollte ich mich dafür entschuldigen – neue Freundschaften und regelmäßiger Wandel gelten für die meisten Menschen als sprunghaft und unstet. Doch auf einem Fleck zu verharren, ist für mich sterbenslangweilig. Ich finde mehr Gemeinsamkeiten mit jenen, die auch ständig auf dem Sprung sind und sich an fremde Situationen anpassen. Da, wo ich herkomme, gilt es allerdings als etwas Schlechtes, hoch hinauszuwollen. Es gehört sich nicht, nach den Sternen oder dem nächsten Flugticket zu greifen, wenn man es sich genauso gut im heimischen Garten gemütlich machen kann.

Na ja, ich hab’s versucht. Ich hatte ein großes Haus mit Garten, und das war wirklich schön. Meine Kinder schleppte ich parallel dazu von Geburt an durch die Weltgeschichte, das fand ich noch viel schöner. Ihrem Vater und mir war es sehr wichtig, Erinnerungen zu schaffen, die nicht nur zu Hause stattfanden. Das ist uns gelungen. Auch wenn das eine Kind zu unserem großen Entsetzen in der Pubertät den Satz fallenließ: „Das Schlimmste an meiner Kindheit waren die vielen Reisen!“ Tja, so kann es auch gehen. Dieses Kind hatte nämlich ständig Heimweh.

So ist das mit den unterschiedlichen Wünschen und Begehrlichkeiten. Man kann nichts erzwingen, egal wie viel Mühe die Eltern sich auch geben, etwas zu unterdrücken oder zu wecken. Der Apfel fällt eben doch oft weit vom Stamm.

Sonnenuntergang auf den Malediven - Blick auf den Horizont beim abendlichen Cocktail
Beim abendlichen Cocktail

Dass mein Leben nun aus sehr vielen Reisen besteht, ist die Erfüllung meiner Träume. Unsere Kinder sind erwachsen, mein Mann und ich sind durch unsere Berufe extrem flexibel, und wir haben beide an den gleichen Erlebnissen Spaß – besser geht’s nicht!

Seit gestern sind wir nach dreieinhalb Wochen Urlaub zurück. Ich fürchte, ich habe mich unsterblich in die Malediven verliebt, aber das ist einen gesonderten Artikel wert. Genau wie die Erfahrung, in Dubai krank zu werden und von einem sogenannten VIP-Arzt behandelt zu werden, der spontan einen Narren an uns gefressen hatte. „You have to hold on to your very good man, my lovely sister from Germany! He is a CEO of a big company, yes, Ma’am? He looks like an important manager. I can see that with my heart, God bless you! My house is your house, you are my family, send greetings to your son and your daughter. He shall become a Doctor, tell it to him. And you will be a great grandmother. Inshallah!“

Ach, wie ich es liebe, wenn in Arabien so übertrieben wird! Der Einfachheit halber verschweigen Marcus und ich unsere Patchwork-Familienverhältnisse inzwischen in bestimmten Ländern lieber. Unsere Gesprächspartner wirken dann nämlich immer so enttäuscht. Aber dass Marcus kein Manager einer weltberühmten Firma ist, stellen wir immerhin klar.

Kirsten bekommt eine Infusion wegen einer Augenentzündung - Der VIP-Arzt kommt direkt ins Hotelzimmer in Dubai
Kirsten bekommt eine Infusion wegen einer Augenentzündung